Montag, 25. Januar 2016

Camilla Läckberg: Die Schneelöwin



DIE SCHNEELÖWIN ist der mittlerweile neunte Roman, den die Autorin Camilla Läckberg in der Fjällbacka-Reihe um den Polizisten Patrik Hedström und die Schrifftstellerin Erika Falck veröffentlicht hat. Und daran krankt der Roman ein wenig. In den acht vorhergehenden Romanen wurde so viel Personal eingeführt, dass die Autorin wohl auch gerne deren Geschichten weitererzählen will. Da sind dann leider zu viele Stränge dabei, die mit der eigentlichen Kriminalgeschichte wenig bis gar nichts zu tun haben. Das interessiert vielleicht einige Fans der Reihe, nimmt aber auch das Tempo aus der Geschichte, der dadurch leider etwas Behäbiges anhaftet.

Und das, obwohl der Kriminalfall, um den es geht, alles andere als uninteressant ist. Die schwedische Polizei tappt bei einer Reihe von Entführungen von jungen Mädchen auf der Stelle, als plötzlich eines der Mädchen stark misshandelt in Fjällbacka wieder auftaucht. Die Polizei verfolgt nun weitere Spuren und das wird von Läckberg recht realistisch und gut beschrieben. Die Schriftstellerin Erika Falck recherchiert gleichzeitig für ihr neues True-Crime-Buch zur gleichen Zeit  an einem alten Mordfall und unterhält sich dafür mit der im inhaftierten Täterin.

Da sind wir dann beim zweiten Punkt, der mir negativ aufgefallen ist. Zwischen diesen beiden Verbrechen, dem alten und dem neuen, wird ein Zusammenhang hergestellt. Dieser ist zwar gut durchdacht und konstruiert, nur finde ich den Zufall, dass Erika Falck gerade an einer alten Sache arbeitet, die mit dem aktuellen Fall ihres Mannes in Verbindung steht, alles andere als glaubhaft. Hier war es dann mit der Konstruktion etwas zu viel des Guten.

Und das kann man auch als Überschrift für den ganzen Roman nehmen: Etwas zu viel des Guten. Zu viel Zufall, zu viele private Geschichten, zu viele karikaturistisch-humorvoll gemeinte Einlagen des eigentlichen Chefs der Polizeiarbeit. Das zerstört die Spannung des Romans, die durchaus vorhanden ist, ungemein. Weniger wäre hier wieder einmal mehr gewesen.

Die Chance auf einen guten Kriminalroman wurde somit leider vertan. Was bleibt, ist ein mittelmäßiges Werk einer talentierten Autorin, die besser daran täte, die ausgetretenen Pfade zu verlassen.

CamillaLäckberg: Die Schneelöwin
Originaltitel: LEJONTÄMJAREN
List 2016
Aus dem Schwedischen übersetzt von Katrin Frey
ISBN: 9783471351062

Mittwoch, 20. Januar 2016

Bov Bjerg: Auerhaus


Ein Roman, der von allen vier Teilnehmern des Literarischen Quartetts über den grünen Klee gelobt wird, und von dem der von mir sehr geschätzte Autor Clemens Meyer sagt, dass es einen guten Sound und Kraft habe, ließ mich einiges erhoffen. Zumal es offensichtlich eine Coming-of-Age-Geschichte ist (ich weiß nicht, ob ich es hier schon einmal erwähnt habe; aber ich liebe Coming-of-Age-Geschichten), die auch noch in den späten 80er Jahren spielt. Also zu einer Zeit als ich ungefähr im selben Alter der Protagonisten war. Da kann ja quasi gar nichts schief gehen, dachte ich.

Und jetzt - nach der Lektüre des Buches - bleibt mir nicht viel übrig, als mit in die Lobgesänge einzustimmen und ein kleines bisschen meinen Neid zu unterdrücken. Neid auf die Gabe Bov Bjergs, so knapp und so präzise zu formulieren, wie er es tut. Ich habe lange keinen Roman mehr gelesen, wo ich das Gefühl hatte: “Scheiße, so würde ich auch gerne schreiben können, wenn ich denn schreiben könnte.” Kein Geschwafel, kein Wort zu viel. Einfach nur auf den Punkt gebrachte kluge Sätze.

Die Geschichte lässt sich relativ kurz zusammenfassen. Vier Oberstufenschüler ziehen in ein altes Bauernhaus und leben dort in einer WG, um einen von ihnen, der einen Selbstmordversuch hinter sich hat, so etwas wie Halt zu geben. Im weiteren Verlauf stoßen noch zwei weitere Mitbewohner hinzu.

Und nun beschreibt Ich-Erzähler Höppner das Leben im Auerhaus (so wird es in Anlehnung an den Madness-Song genannt). Ich weiß, viele werden sich jetzt denken, dass sich das weder spannend noch interessant anhört. Doch weit gefehlt, durch den schon erwähnten Stil, schafft Bjerg es irgendwie den - ich weiß, es hört sich schwülstig an, aber es ist so - Zauber der Jugend aufleben zu lassen, der Phase des Lebens, wo man so viele erste Erfahrungen macht. Das macht gute Laune. Aber nicht nur. Denn es macht natürlich auch melancholisch, wenn man - gerade wenn man schon ein gewisses Alter erreicht hat - an diese Zeit erinnert wird. Noch dazu, schließt man alle Figuren, mit all ihren Macken und Fehlern, recht früh in sein Herz und weiß doch, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kein Happy End geben wird.

AUERHAUS ist ein Roman der auf knapp 240 Seiten viele Facetten bietet. Er ist vordergründig witzig, hintersinnig humorvoll, doch zugleich tieftraurig. Er ist stellenweise aufregend, stellenweise regt man sich auch einfach über die Figuren auf und an den richtigen Stellen nimmt Bjerg das Tempo raus. Das ganze wird dann noch mit dem nahezu perfekten Erzählstil (ich weiß, ich wiederhole mich) gepaart. Beispiele gefällig? Gerne:

Ich las Comics, Frieder irgendwelche Philosophen, Psychologen oder Suizidanleitungen. Alfred Adler: "Wozu leben wir?". Alfred Adler. Das klang wie eine Figur aus Donald Duck. Ich fragte Frieder leise: "Und, weiß er's?" Frieder flüsterte: Zum Heiraten und Kinderkriegen."
Irgendwie ging es um Flugsimulatoren. Also diese nachgebauten Cockpits, in denen die Piloten fliegen übten, und starten und landen. Und so ein Flugsimulator sei ein Roman eben auch. Literatur ersetzte quasi das richtige Fliegen.
"Ambivalent" war selbst ambivalent, denn manchmal war es auch bloß ein gebildetes oder ironisches Wort für "beschissen".

AUERHAUS ist alles andere als "ambivalent", sondern hat  alles, was ich von guter Literatur erwarte und ist mein erstes Highlight im Lesejahr 2016. Folgende Lektüren werden sich an diesem Buch messen lassen müssen und ich bin mir sicher, dass - wenn überhaupt - nur wenige, ähnliche Begeisterungsstürme bei mir hervorrufen werden. Danke für diesen Roman, Bov Bjerg.

Bov Bjerg: AUERHAUS
Blumenbar 2015
Gebunden mit ausklappbarem Vorsatz, 240 Seiten
ISBN: 978-3-351-05023-8 € 18,00

Dienstag, 19. Januar 2016

True Romance


© UIP

Die Legende sagt, Quentin Tarantino gab Tony Scott zwei Drehbücher zur Auswahl, aus denen sich Scott eines aussuchen durfte, um es zu verfilmen. Es waren RESERVOIR DOGS und TRUE ROMANCE. Scott hätte gerne beide verfilmt, entschied sich aber für TRUE ROMANCE. So war beiden geholfen, Scott hatte ein gutes Buch und Tarantino das nötige Kleingeld um sein Regiedebüt RESERVOIR DOGS auf den Weg zu bringen. Noch erwähnenswert ist, dass TRUE ROMANCE eigentlich nur die Hälfte eines Drehbuchs war, die andere Hälfte verfilmte Oliver Stone als NATURAL BORN KILLERS.

Scott machte zunächst aus der ursprünglich nicht-linear erzählten Geschichte eine lineare und versah dem Werk natürlich seine eigene Handschrift. Obwohl ihm manch Kritiker diese abspricht: “...allzu geschmäcklerisch inszenierten Umsetzung durch Tony Scott, der wieder einmal beweist, dass er ein Regisseur ohne eigene Handschrift ist. Wie bei all seinen Filmen verstellt eine gelackte Werbefilm-Ästhetik allzu oft den Blick auf Handlung und Personen. War das bei seinen bisherigen, inhaltlich eher dürftigen Filmen wie TOP GUN, BEVERLY HILLS COP II oder TAGE DES DONNERS für die Gesamtwirkung weniger gravierend, so fällt hier doch eklatant auf, dass Scott den qualitativen Vorgaben Tarantinos nicht gewachsen ist.” (Rolf-Rüdiger Hamacher, Film-Dienst 2/1994). Aber gerade diese von Hamacher sogenannte “gelackte Werbefilm-Ästhetik” ist natürlich Scotts Handschrift, oder besser gesagt ein Teil seiner Handschrift. Und ob man das unbedingt negativ sehen muss, ist natürlich Geschmackssache. Scott macht aus Tarantinos Buch natürlich einen Tony-Scott-Film, und das funktioniert gerade dann sehr gut, wenn die Handlung Detroit verlässt und die beiden Protagonistin in Los Angeles ankommen. Den Bildern haftet unwidersprochen eine 80er-Jahre-typische Werbefilmästhetik an, aber das fällt überhaupt nicht negativ auf. Im Gegenteil, das passt hier wie die Faust auf’s Auge. Und das sieht F.M Helmke in seiner zuerst bei filmszene.de erschienenen Kritik genauso: "TRUE ROMANCE ist so etwas wie die perfekte Symbiose der Talente von Drehbuchschreiber und Regisseur. Während Charaktere, Dialoge und die streckenweise komplett abgedrehte Handlung mehr als deutlich darauf hinweisen, dass eine gewisse Sinnverwandschaft zu PULP FICTION besteht, versah Popcornkino-Ikone Tony Scott (TOP GUN, THE LAST BOY SCOUT) den Film mit mächtigem visuellen Tempo und sehr hübsch choreographierten Gewalteinlagen (den großen Shoot-out am Ende muss man gesehen haben, um es zu glauben)." http://www.filmzentrale.com/rezis/trueromance.htm

Die Besetzung tut ihr Übriges dazu, um aus TRUE ROMANCE einen mehr als bemerkenswerten Film zu machen. Christian Slater, der in der Serie MR. ROBOT endlich so etwas wie ein Comeback hinbekommen hat, und Patricia Arquette passen ihre Rollen wie angegossen. Und wenn man in den Nebenrollen Leute wie Brad Pitt, James Gandolfini, Christopher Walken und Dennis Hopper hat, ist man sowieso auf der sicheren Seite. Tarantino behauptete lange Zeit, dass die “Sizilianer-Szene” in TRUE ROMANCE die beste Szene sei, die er je geschrieben hätte (bis sie von der Eingangsszene in INGLORIOUS BASTERDS abgelöst wurde), doch was diese Szene darüber hinaus zu einer der legendärsten Filmszenen überhaupt macht, ist das Zusammenspiel von Hopper und Walken.TRUE ROMANCE darm man also - auch Dank des sehr guten Hans-Zimmer-Scores - zurecht in den Klassiker-Status erheben. Dieser Film ist sozusagen die Schnittstelle der 80er-Jahre-Actionfilm-Ästhetik mit der von Tarantinos Eklektizismus geprägten Hollywood-Ästhetik der 90er Jahre.

TRUE ROMANCE
TRUE ROMANCE
USA 1993
Regie: Tony Scott
Produktion: Samuel Hadida, Steve Parry, Bill Unger
Buch: Quentin tarantino
Kamera: Jeffrey L. Kimball
Musik: Hans Zimmer
Schnitt: Michael Tronick, Christian Adam Wagner
Darsteller: Christian Slater, Patricia Arquette, Val Kilmer, Gary Oldman, Brad Pitt, Dennis Hopper, Christopher Walken

Montag, 18. Januar 2016

Prinzessin Mononoke


TITANIC und HEIDI, das sind die meistgenannten Referenzen, die man findet, wenn man deutschsprachige Texte zu Hayao Miyazakis japanischen Animationsfilm PRINZESSIN MONONOKE (OT: MONONOKE-HIME) liest. TITANIC deshalb, weil der Film bei seinem Erscheinen in Japan sämtliche Einspielrekorde brach und damit erfolgreicher war, als Camerons Blockbuster, der ebenfalls 1997 in die Kinos kam. Und HEIDI weil die Fernsehserie aus den 70er Jahren in Deutschland bis zu jenem Zeitpunkt das wohl mit Abstand bekannteste Werk Miyazakis war.

PRINZESSIN MONONOKE kam erst im April 2001 regulär in die deutschen Kinos und das auch nur mit 35 Kopien. Ein Beweis dafür, dass - damals noch mehr als heute - der Animationsfilm hierzulande als reiner Kinderfilm gesehen wird. Ein solcher Film, der sich an ein erwachseneres Publikum wendet, wird von vorneherein als chancenlos angesehen, noch dazu wenn er vom japanischen HEIDI-Macher kommt. Das besserte sich etwas mit Miyazakis MONONOKE-Nachfolger CHIHIROS REISE INS ZAUBERLAND, mit dem er bei der Berlinale 2002 den Goldenen Bären und später den Oscar für den besten animierten Spielfilm 2003 gewann.

Freitag, 15. Januar 2016

Lethal Weapon - Zwei stahlharte Profis

© Warner Bros.


LETHAL WEAPON hat mich als Teenager bei der Erstsichtung natürlich ungemein beeindruckt. Wilde Ballereien, coole Sprüche und Action hoch drei. Das gefiel. Zwar habe ich den zweiten Teil in noch besserer Erinnerung als den ersten, aber um den geht es hier nicht. Nun - nach einer erneuten Sichtung fast 30 Jahre später - ließ das Gefühl der Beeindruckung gehörig nach. Und das lag nicht nur an Mel Gibsons Frisur.

Ich habe versucht zu ergründen, woran das liegen mag. Bin ich vielleicht zu alt für diesen Scheiß? Das glaube ich eigentlich nicht, denn es gibt auch heute noch Filme, die mich mit wilden Ballereien, Action hoch drei und coolen Sprüchen begeistern können,und zwar egal, wann diese Filme gedreht wurden und wie oft ich sie schon gesehen habe. Also zieht bei LETHAL WEAPON auch das Argument nicht, dass er schon knapp 30 Jahre auf dem Buckel hat. 

Dienstag, 12. Januar 2016

Eric Berg: Das Küstengrab



Es gibt Bücher, von denen erwarte ich als erst einmal Leser gar nichts. DAS KÜSTENGRAB war so eines. Ich habe ihn zu Hand genommen, weil er gerade in die Taschenbuch-Bestsellerliste eingestiegen ist und wollte nur mal hineinlesen. Kriminalroman steht auf dem Cover. Erster Gedanke: Okay, es gibt schlimmere Genres. Der Klappentext lässt wissen, dass der Roman auf der Ostseeinsel Poel spielt. Gedanke: Puuh, ein deutscher Regionalkrimi. Da hast du aber noch nicht so viele gute Erfahrungen mit gemacht. Eine kurze Recherche nach dem Autor ergibt, dass es sich um das Pseudonym eines recht erfolgreichen Verfasser historischer Romane handelt. Gedanke: Aha, hier versucht jemand sein Repertoire zu erweitern - kann gelingen, geht aber meistens schief.

Dann ging es los. Schon nach wenigen Seiten war klar, dass der Autor sein Handwerk beherrscht. Das ist schon mal etwas, was ich bei anderen Abstechern in das Regionalkrimigenre nicht immer festgestellt habe. Im Prolog geschieht das Verbrechen, um das sich der Roman hauptsächlich dreht. Ein junger Mann wird im Sommer 1990 auf Poel erschlagen.Im Anschluss springt die Geschichte in den September 2013, wo wir Lea Mahler verfolgen, die vier Monate zuvor einen schweren Autounfall erlitten hat, nachdem sie das erste Mal seit 23 Jahren zurück auf ihrer Heimatinsel war. Bei dem Unfall kam ihre Schwester ums Leben und sie hat durch eine partielle Amnesie die Vorfälle direkt vor dem Unfall vergessen.

Donnerstag, 7. Januar 2016

Shaun das Schaf - Der Film



An SHAUN DAS SCHAF - DER FILM bin ich extrem voreingenommen herangegangen. Ich liebe die TV-Serie und bin immer schon ein wenig enttäuscht, wenn Günter Dybus sonntagvormittags im Vorspann der SENDUNG MIT DER MAUS (Pflichtprogramm!) Käpt’n Blaubär für das Ende der Sendung ankündigt, obwohl der auch nicht übel ist, aber im Gegensatz zum Witz und Charme von Shaun doch gewaltig abstinkt.

Im letzten Jahr haben die Aardman Studios dem Schaf nun sein erstes Kinoabenteuer spendiert. Das man dort die auch die lange Strecke beherrscht, haben Filme wie CHICKEN RUN und WALLACE & GROMIT - DIE JAGD NACH DEM RIESENKANINCHEN unter Beweis gestellt. Und auch bei SHAUN DAS SCHAF gelingt das gut.