Donnerstag, 8. Januar 2015

Cheryl Kaye Tardif: Wilder Fluss


Laut Klappentext ist dieser Roman ein Thriller um Stammzellenforschung, Klontechnik und Weltherrschaftspläne. Das hört sich eigentlich recht interessant an und ein wenig entwickelt sich der Roman auch im zweiten Teil in Richtung dieser Themen. Doch zuallererst ist es ein Roman über die Suche einer Tochter nach ihrem vor sieben Jahren verschwundenen Vater.

Die Protagonistin Del Hawthorne, 33 Jahre alt und Professorin für Anthropologie in Vancouver, bekommt einen Hinweis, dass ihr verschwundener und für tot erklärter Vater doch noch lebt. Ein alter Freund des Vaters, der zusammen mit ihm verschwunden war, taucht schwer erkrankt wieder auf und gibt ihr diesen Hinweis. Sie macht sich mit einer Gruppe Freiwilliger auf den Weg zu dem mysteriösen  Fluss (Nahanni River) im Norden Kanadas, wo sich die Spur ihres Vaters verloren hat. Und dort angekommen, werden auch die im Klappentext angesprochenen Themen plötzlich mehr oder weniger relevant. Aber ein Hauptthema lässt sich auch dann nicht ausmachen.

Das hört sich zunächst alles nicht uninteressant  an. Aber so etwas wie Spannung kommt leider an keiner Stelle des Romans auf. Es fängt damit an, dass ausnahmslos alle Figuren Stereotypen darstellen und mit unglaublicher Attraktivität beschenkt wurden (außer den Bösen versteht sich). Del ist hübsch und der ehemalige Assistent ihres Vaters („Mr. Ach-so-sexy“) scheint direkt aus dem Katalog für tolle Kerle entsprungen zu sein.

Wenn ich dann noch Sätze lese, wie „Jake Kerrigan war die Männlichkeit in Person. Sie strömte ihm aus jeder einzelnen Pore…“, dann kräuseln sich mir die Fußnägel: Hallo? Geht’s noch? Man kann ja eine Liebesgeschichte zwischen zwei Hauptfiguren in eine Thriller-Geschichte hineinschreiben. Dagegen habe ich wirklicht nichts. Das kann einen Roman sogar aufwerten. Aber wenn eine Schmonzette erzählt wird, die an Klischeehaftigkeit, Plattitüden und Sexismus wohl kaum zu überbieten ist - wie es hier der Fall ist - dann ist die Grenze zur Unerträglichkeit nicht nur erreicht, sondern fast schon überschritten.

Natürlich sind unter den Freiwilligen, die sich auf die Suche begeben, auch noch die jeweiligen Ex-Partner unseres Traumpärchens. Beide, besonders sie (die natürlich auch noch die kluge Assistentin von Dr. Kerrigan ist), sind ungemein attraktiv. Versteht sich von selbst. Das führt natürlich zu Eifersüchteleien. Uiuiui!. Der Führer der Reisegruppe ist ein Bilderbuchindianer, der genauso ist, wie man sich einen Rafting-Guide vorstellt, jedenfalls wenn man sich den einen optimalen schnitzen könnte. Dazu kommen noch der junge Assistent der Professorin und seine Bekannte, Expertin in Mathematik und Botanik. Zu guter letzt stößt auch noch zufällig ein Computerexperte zu der Gruppe. Eine Reisegruppe also, die selbst in einem schlechten B-Movie noch unglaubwürdig wirken würde.

Sie schippern nun also den titelgebenden „wilden Fluss“  entlang. Die Landschaftsbeschreibungen scheinen aus gängigen Reiseführern übernommen worden zu sein. So klingen sie jedenfalls und die Tourismusbranche der Region wird's freuen. Wie nicht anders zu erwarten, wird die Suche der Gruppe sabotiert. Es scheint ein Verräter in den eigenen Reihen zu sein. Das überrascht jetzt aber ganz doll. Falsche Fährten werden gelegt, kleinere Scharmützel der Truppe untereinander treten zu Tage und so weiter und so fort. Wer mittlerweile denkt, wir haben es hier mit einem 08/15-„Thriller“ zu tun, der liegt vollkommen richtig.

Und noch andere Unglaubwürdigkeiten als die oben erwähnten findet man in diesem Buch. Denn da ist beispielsweise noch die Mathematikerin (das sie jung und hübsch ist, brauche ich wohl nicht extra zu erwähnen), die auch mitgekommen ist, um ein codiertes Tagebuch zu entschlüsseln. Sie tut sich schwer damit, eine Verschlüsselung zu knacken, die im Nachhinein so offensichtlich ist, wie es offensichtlicher kaum geht (auch 2005 schon!). Nicht zu vergessen, dass die Mathematikerin, erst von jemand anderen darauf aufmerksam gemacht werden muss, dass in dem Code keine Nullen vorhanden sind. Hallo? Das ist etwas, was selbst Nicht-Mathegenies als Erstes auffallen dürfte.

Ich überlege gerade, ob ich noch etwas vergessen habe. Habe ich schon erwähnt, dass sich die Figuren durch die Bank weg äußerst naiv verhalten? Habe ich schon erwähnt, dass  die Logik an manchen Stellen auf der Strecke bleibt? Habe ich schon erwähnt, dass die offensichtlich recherchierten „wissenschaftlichen Fakten“ (Bücherliste als Quellenangaben am Ende des Buches!) keinen glaubwürdigen Eindruck machen? Wenn nicht, dann habe ich es jetzt getan.

Wer also einen klischeehaften, teilweise kitschigen, unglaubwürdigen und unlogischen Roman lesen möchte, wird mit WILDER FLUSS bestens bedient. Wer etwas andere Ansprüche an seine Lektüre hat und als Leser von einem Autor oder einer Autorin nicht für dumm gehalten werden möchte, sollte einen Bogen um das Buch machen. Einen großen. (4/15)

Cheryl Kaye Tardif: Wilder Fluss
Thriller
Titel der kanadischen Originalausgabe: THE RIVER (2005)
Übersetzung: Ilona Stangl
Cover: Timo Kümmel
Luzifer Verlag, Dezember 2014
352 Seiten
13,95 € (Paperback)
ISBN: 9783958350069



1 Kommentar:

  1. Das erklärt wohl, warum man das Buch so kurz nach Erscheinen für lau auf ebay bekommt.

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